Montag, 22. September 2014

[R] Zuhause & Calle 13

Untergekommen bin ich im Haus von Rosa Argentina, einer Freundin und ehemaligen Kollegin meiner Eltern.
Rosa Argentina

Ihre Tochter studiert seit einigen Jahren in Deutschland, in Karlsruhe waren wir auf einem tollen Konzert von Calle 13. Die ganze Latino-Community der Umgebung kam an diesem Tag ins Tollhaus. Ich lege euch Calle 13 ans Herz, vor allem denjenigen die Spanisch verstehen.
Dass sie ein Konzert in kleinen Sälen wie dem Tollhaus geben ist eine Ausnahme, normalerweise geben sie ihre Konzerte auf den völlig überfüllten zentralen Plätzen der lateinamerikanischen Hauptstädte.


Die Lieder sind sehr abwechslungsreich, sowohl im musikalischen Stil als auch thematisch. Es geht auch mal um Liebe, Party oder Fernweh, sehr viele Lieder sprechen jedoch gesellschaftliche Misstände an oder greifen das System der Reichen und Mächtigen an.

Calle 13 Konzert in Havanna

Lieblingslied: Calle 13 - Latinoamérica

recht leicht verständliches Lied: "La Bala" (Die Kugel)

Jedenfalls ist logischerweise das Zimmer ihrer Tochter frei, in dem ich nun schlafe. Ich mag mein Zimmer sehr, es ist etwas klein, aber gut in Schuss und hat alles Nötige.

Mein Zimmer

Sogar ein eigenes Bad, das ich auf eine gewisse Art und Weise sehr schön finde, (vielleicht liegt es an dem etwas gedämpften Lichteinfall und den dunkelorangenen Wänden, die mit den Fliessen harmonieren) und einen eigenen Fernseher. Den Fernseher habe ich aber rausgestellt um mehr Platz zu haben, ich bin ganz froh dass mich zurzeit weder Fernseher noch Computer ablenken oder an sich binden. Nun steht die Röhrenkiste im Wohnzimmer neben den nicaraguanischen Schaukelstühlen, die ich feier.

Wohnzimmer

Das Tolle an meinem Zimmer ist, dass es direkt an den kleinen begrünten Innenhof grenzt.


Innenhof


Da innerhalb der Gebäude meist eine scheussliche Wärme vor sich hin brütet, setze ich mich gerne raus oder widme mich meiner neu entdeckten grossen Liebe, der Hängematte.

Ich fühle mich sehr wohl daheim, die Stimmung ist gut... Rosa scherzt gerne, dass ihre 70 Neffen sie kaum noch besuchen kommen und man ihr deswegen einen Neffen aus Deutschland geschickt hat. Und tatsächlich fühle ich mich sehr herzlich aufgenommen. Nicht nur durch sie, auch durch die Haushälterin, Doña Maribel, die die 80-jährige Tante von Rosa betreut. Letztere ist zwar blind und hört schwer, ist aber noch recht gut drauf und vor allem lacht sie oft und und gerne. Dazu kommt es häufig, denn Doña Maribel ist stets guter Laune, plaudert viel und scherzt auf eine nicaraguanische Art, die ich liebe. Sie hat mich wirklich gut aufgenommen. Mir fällt zum Beispiel ein, dass sie mir gerne mal eine ordentliche Portion Essen mit ähnlichen Kommentaren wie diesen serviert: "Wenn du mehr willst, musst du was sagen, aber nicht schweigen und denken: Boah, viel zu wenig hat mir die geizige Alte wieder draufgetan."

Küche
Als ich im Haus ankam, wurde ich mit den Worten empfangen: Na dann hoffe ich mal das wir miteinander klarkommen. Bisher waren wir nur ein Haufen alter Frauen, jetzt ist endlich mal ein Mann im Haus.
Anfangs war ich etwas überrascht, dass ich tatsächlich keine Hausarbeit erledigen sollte und jederzeit (lecker) bekocht werde, wenn ich das wünsche. Die Damen kümmern sich sehr lieb um mich. Selbst wenn Rosa Argentina abends von der Arbeit aus Managua zurückkehrt und mich ausgerechnet an ihrem Geburtstag mit scheppernden Kopfschmerzen und Fieber vorfindet, kümmert sie sich rührend um mich. Im Moment wenn ich fiebernd im Bett liege und sie mir die heisse Stirn abtupft, weiss ich mal wieder gar nicht womit ich soviel Liebe verdient habe und verdrücke ein paar Tränen ob der liebevollen Schönheit des Menschen.
Ihren Geburtstag haben wir beide dann, als ich gesundet war, am Samstag mit deutschem Apfelkuchen und meiner ins Spanische übersetzten Abiballrede nachgeholt, für die sie sich interessiert hatte.

Es überrascht mich immer wieder wie die drei Damen, meine Gastfamilie, trotz meist sehr anstrengender und auslaugender Arbeit, guter Laune sind. Alle drei arbeiten weit weg von ihrem Zuhause, die verwitwete Tante, "Chilo", erlitt wie viele Nicaraguaner durch ihre anstrengende körperliche Arbeit gesundheitliche Schäden wie ihre Blindheit und Taubheit, um durch ihre Arbeit wenigstens einen geringen Lohn zu erhalten.

Auf jeden Fall hätte ich mir mein neues Zuhause nicht schöner vorstellen können und bin sehr dankbar.

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