Donnerstag, 7. Mai 2015

[T] Agua

Tagelang, wochenlang, sogar monatelang gibt es in Nicaragua strahlend blauen Himmel zu bewundern. Ein Traum - nicht wahr?
Man kann die Sonnenstrahlen geniessen, braucht keine Jacke anziehen und sich auch keine Sorgen machen, dass man später am Tag vielleicht doch noch eine braucht, um sich nicht zu erkälten, ein lecker erfrischendes Eis ist immer gern gesehen, man wird braun und hat Sommer- und Urlaubsfeeling oben drauf.



Aber wie sieht es aus, wenn das nicht nur für eine kurze Zeit so ist, sondern Alltag wir? Pflanzen und Bäume werden trocken, braun oder grau, Flüsse trocknen aus und schliesslich wird das Wasser auch für die Menschen knapp. Irgendwie müssen die Felder bewässert werden, das Vieh mit Wasser versorgt werden und auch jede einzelne Person hat das Bedürfnis sein Heim sauber zu halten, sich selbst zu waschen und vor allem Durst.
Wer freut sich nicht gerade an einem heissen Sommertag über ein frisches und kühles Glas Wasser? Für mich war es am Anfang schon eine kleine Umstellung von Kohlensäure auf stilles Kranwasser hier - wenn ich nun drüber nachdenke, ist es eigentlich vollkommen absurd, warum habe ich so selten unser sauberes Kranwasser getrunken, wo es doch so einfach zu erreichen ist. Ich muss allerdings gleich klarstellen, dass ich hier in Nicaragua in guten Umständen lebe, meist haben wir fliessend Wasser und falls es doch nicht da ist, dann kommt es allerspätestens am nächsten Tag wieder. Ich kann mir fast gar nicht vorstellen, wie es den vielen Familien geht, die mit ein paar wenigen Litern am Tag auskommen müssen - und was ist erst mit den Bauern, die auf ihre Ernte angewiesen sind, damit sie irgendwie überleben können?
In Nicaragua gibt es zwei Jahreszeiten, die sich von der Temperatur her zwar gar nicht so sehr unterscheiden, dafür ist die Niederschlagsmenge deutlich unterschiedlich. Im Mai beginnt der Winter - theoretisch gibt es regelmässigen Regen, der meist am Nachmittag kommt und nicht allzu lange andauert, dafür aber recht kräftig ausfällt - und im November beginnt dann der Sommer - in den ersten zwei Monaten noch mit ein bisschen Regen, danach gibt es vor allem eins: wenig bis gar keine Wolken am Himmel und Sonne bis zum Abwinken. Man kann das nicht so allgemein für das ganze Land sagen, denn an der Karibikküste etwa, regnet es das ganze Jahr immer mal wieder, auch im Norden gibt es mehr und stärkere Regenfälle und im Süden des Landes ist der Sommer stärker und etwas länger.
Die beiden Wetterextreme bringen jeweils nicht nur positive Effekte mit sich, sondern haben auch starke Einflüsse und Auswirkungen auf Umwelt und Menschen, die teilweise nicht unter Kontrolle zu bekommen sind. Überschwemmungen sind genauso gravierend wie tagelang ohne Wasser auskommen zu müssen, vor allem da viele Nicas in Wellblechhütten oder zusammengewürfelten, unstabilen Bleiben wohnen - sei es in der Stadt oder auch auf dem Land.

 Der vergangene Winter, den ich hier auch zur Hälfte miterlebt habe, ist recht trocken ausgefallen. Eigentlich kommt der meiste Regen im September und Oktober. Letztes Jahr sind auch diese Monate unterdurchschnittlich trocken gewesen und so ist der Ertrag der Ernte gesunken. Roberto hatte das in einem älteren Text schon einmal erwähnt - im Zusammenhang mit Bohnen. Umso verstärkt wird jetzt darauf gehofft, dass der kommende Winter wieder "besser" ausfällt und genug Regen kommt.

Ich für mich - und da spreche ich wahrscheinlich auch für viele Nicas mit - freue mich auf den einsetzenden Regen, aber gleichzeitig hoffe ich auch, dass es keine zu grossen Überschwemmungen geben wird. Ihr könnt euch ja sicherlich vorstellen, wie trocken die Erde nach monatelanger Trockenheit ist und dadurch (am Anfang) kaum in der Lage ist grössere Mengen an Wasser aufzusaugen. Auf den Strassen bilden sich Bäche und Flüsse, die für einen Moment bleiben, an vielen Stellen aber nach kurzer Zeit auch wieder austrocknen.
Auch mit dem Bibliobus haben wir ab und an übrigens Probleme deswegen: manche Strassen (vor allem in ländlichen Gebieten) verwandeln sich in Matschwege oder Bäche sind zu durchqueren und Bücher werden nass - im Bücherbus selber oder in der Zeit, in der sie bei den Kindern sind: auf dem Schulweg im Rucksack, der nicht dicht ist oder zuhause.
unterwegs mit dem Bücherbus
Jetzt gerade gab es schon die ersten Regenfälle, trotzdem haben einige Stadtviertel und ländlichen Bereiche immer noch kein Wasser, hoffentlich ändert sich das bald!

Der folgende Link ist ein Artikel, der sich dem Aspekt Wasser als Menschrecht widmet, ich fande ihn interessant und vielleicht interessiert ihn den ein oder anderen auch...

 http://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenrechte/38745/menschenrecht-wasser

Mit einer Wasserfläche von 9240 qkm bei knapp 130000 qkm Landfläche, könnte man meinen, dass Wasser in Nicaragua doch stets ausreichend da sein muss. Die zwei grossen Seen Nicaraguas, die das Landschaftsbild prägen, viele kleine und grössere Lagunen zerstreut über das Land und Flüsse im Osten des Landes beinhalten zwar viel Wasser, Verschmutzung macht den Grossteil allerdings als Trinkwasser fast ungebrauchbar. Trotzdem haben die Leute, die am Rande oder in der Nähe eines Gewässers leben, oft erleichterte Bedingungen: das Land ist das ganze Jahr über fruchtbarer, zum Wäsche waschen gibt es ausreichend Wasser - den Luxus einer Waschmaschine gibt es für die wenigsten und die Handwäsche frisst nocheinmal deutlich mehr Wasser als die bei uns heimischen Waschmaschinen und die Hitze lässt sich doch besser aushalten.

bei Chocoyero im "Winter" - Sepember ´14
Bananenstauden - ebenfalls September
Isletas im Nicaraguasee bei Granada
Blick auf Laguna de Apoyo - in der Regenzeit
das Ufer des Managuasees - ausser den Treppenstufen leuchtet nicht so viel bunt

Ich weiss nicht, wer und wie viele von euch das Projekt des Kanalbaus Nicaraguas mitbekommen hat, denn das ist ein Grossprojekt, welches einen sehr grossen Einfluss auf die Natur und hauptsächlich auf den Nicaraguasee haben wird - das grösste Süsswasserreservat Zentralamerikas wird so zerstört, mit allem was dazu gehört (übrigens auch die Naturschönheit des Rio San Juan, von der ich letztens erst berichtet habe, denn der Fluss würde sich dann auch in einen Salzwasserfluss verwandeln).
 Das ist nur ein kleiner Aspekt des ganzen Projekts, die wirtschaftlichen und politischen Aspekte auszubreiten, würde den Rahmen hier deutlich sprengen. Auf jeden Fall ist ein mehrere Kilometerkanal geplant, der unter anderem quer durch den Dschungel und den Nicaraguasee gegraben wird. Der See ist bereits verschmutzt, könnte sich meiner Meinung nach allerdings in einem gewissen Zeitraum auch wieder erholen, wenn nicht weiterhin Abwasser und Müll hineinströmen würde. Der etwas kleinere Managuasee ist noch deutlich mehr verpestet, dort wohnen auch keine Fische mehr.

Für uns in Deutschland Lebende ist der Gedanke, kein Wasser mehr zur Verfügung zu haben meiner Meinung nach ganz schön weit entfertn  - wie oft kommt es für die meisten schliesslich vor, dass wir unser Wasser ernsthaft rationieren müssen, weil nicht mehr zur Verfügung steht? Ich möchte alles andere als eine Moralpredigt halten, muss mich selbst ja auch mithineinnehmen, aber sich allein darüber Gedanken machen (zu müssen), ist schon ein Schritt vorwärts. Und so hoffe ich, dass die Situation vor allem eins: nicht noch schlimmer wird!

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