Samstag, 11. Oktober 2014

[T] Über Stock und über Stein

 

Ich will euch mitnehmen auf die letzte Bücherbusfahrt ins abgelegene Malpaisillo, zu zwei Grundschulen, deren Schüler ohne den Bücherbus keine Möglichkeit hätten an Bücher heranzukommen, sie sind schlichtweg viel zu teuer für die meisten..  

 




Diesmal beginnt die monatliche Bücherbusfahrt zu zwei Schulen in die Gemeinde 'Mina El Limón' im Norden des Managuasees um 6.30 Uhr im Nieselregen und bei relativ kühlen Temperaturen. Im Gepäck zwei große Kisten voll mit Kinder- und Jugendbüchern, die nur darauf warten entdeckt und gelesen zu werden!

Es ist Don Nelson - der erst seit ein paar Monaten in der Bibliotheks arbeitende Busfahrer - der sich heute der Herausforderung stellt, die Bücher sicher zu den Kindern in Malpaisillo zu bringen. Da der langjährige Busfahrer Don Reybil in etwa zwei Jahren in Rente gehen wird, übernimmt Don Nelson nach und nach einige Fahrten, um sich in die verantwortungsvolle Aufgabe einzuarbeiten.

Nach etwa zwei Stunden beginnt die eigentlich Herausforderung für Don Nelson, der Bücherbus verlässt die asphaltierte Hauptstraße und muss nun vorbei an diversen Schlaglöchern hinauf zur ersten Schule gelenkt werden. Da es in der Nacht viel geregnet hat, auch in der sonst sehr trockenen Gegend um Malpaisillo, ist der Untergrund zwar nicht so hart und die Schlaglöcher nicht so tief wie beim letzten Mal, es kommt aber zu einem anderen Beanspruchtest für den Bücherbus: zwei Brücken sind noch nicht fertig gebaut und so gilt es nun einen zum Glück kleinen und noch nicht tiefen Fluss zu durchqueren. Der Motor ist aber stark genug und im Gegensatz zu einem anderen Motorradtransporter schafft es der Bücherbus ohne Schäden auf die andere Seite. 
 
Durch den Bach, doch ein bisschen tiefer als gedacht..
Zur Zeit wird auf der Strecke (auf einigen Passagen) eine gepflasterte Straße gebaut, die die Reise natürlich sehr viel vereinfacht. Aber die letzten Kilometer zur ersten Schule „Lourdes“ wird erneut eine holprige Angelegenheit über Stock und Stein.

Aber all das wird durch die Freude der Schüler und Schülerinnen, die den elegant von Don Nelson rangierenden Bücherbus sehen, zur Nebensächlichkeit! Um etwa 10 Uhr beginnt die Bibliotheksmitarbeiterin Arianna damit, die ausgeliehenen Bücher des letzten Monats einzusammeln, und zu katalogisieren, damit sicher gestellt wird, dass alle Bücher heile und vollständig wieder zurückkommen.
der Bibliobus in bereits 5. Generation in Aktion
Kurz darauf beginnt für die Kinder der schönste Teil des Bücherbusbesuchs: sie dürfen sich - natürlich der Reihe nach - jeweils eins, wenn großer Bedarf ist auch ein Buch mehr aussuchen und dies nach Registrierung für einen Monat mit nach Hause nehmen.


Zunächst fällt ein Mädchen besonders auf – Alondra – acht Jahre alt und mit zwei Büchern bewaffnet. Eins davon ist das Kochbuch „Tupi Cocina“ mit einfachen aber kreativen Ideen wie Monstern oder Gesichtern. Auf Nachfrage erklärt sie, dass sie es eigentlich nur zum Lesen ausgesucht hat, kochen könnte sie außer Reis doch überhaupt nicht. Arianna zeigt ihr einige Rezepte und fordert Alondra auf, ihr nächstes Mal ein Rezept vorstellen zu können, mal schauen, was der nächste Bibliobusbesuch in Lourdes mit sich bringt! 
 
direkt nach der Bücherausgabe: die Kinder sitzen vor ihrem Klassenzimmer und bereits eingetaucht in fremde Welten
Aber ein anderes, ruhiges, schon relativ erwachsenauftretenes Mädchen taucht auch im Bibliobus auf, und das gleich mehrfach. Aber von Anfang an: Janci, gerade mal elf Jahre alt, gibt wie alle anderen Kinder auch ihr bereits gelesenes Buch ab und sucht sich als neues eins aus, dass sich insofern von den meisten anderen Büchern abhebt, als dass es auf Englisch ist. Denn Janci lernt seit kurzem neben dem Unterrichtsstoff auch noch nachmittags in einer anderen externen Schule Englisch. Ihr Lehrer beschreibt sie als sehr intelligent und wissbegierig. Aber damit nicht genug, nachdem alle Kinder bereits ein oder mehrere Bücher ausgeliehen haben, ist Janci nocheinmal im Bus; sie sucht diesmal für ihren älteren Bruder ein Buch – auch fürs Englischlernen – und nimmt am Ende vier Bücher mit. Ihr Bruder geht nicht zur gleichen Schule und hätte daher auch nicht die Möglichkeit den Bücherbus zu nutzen. Janci eröffnet ihm aber diese Türen und wird zuhause mit ihrem Bruder zusammen lernen und die Bücher austauschen!


Am Nachmittag geht es weiter zur nächsten Schule – Galilao, diese liegt auf dem Rückweg zur Hauptstraße und ist ebenfalls eine Grundschule. Auch hier wird der Bücherbus ähnlich in Empfang genommen wie auch schon in Lourdes: die Kinder freuen sich sehr und falls jemand sein Buch an diesem Tag zuhause vergessen hat, wird eben ein Fahrrad genutzt um nach Hause zu flitzen, damit man auch ein neues Buch ausleihen kann! Bei der Ausleihe gilt aber: die zuverlässigste Klasse, also die, in der die Kinder alle oder die meisten Bücher wieder abgegeben haben, darf zuerst in den Bücherbus und hat das Privileg der größten Auswahl. Nach und nach, und immer nur fünf Schüler im Bus, damit es nicht zu voll ist, werden die Bücher sorgfältig ausgesucht. Während der ganzen Zeit springt auch ein sechsjähriger Junge um das Geschehen herum, der es kaum noch abwarten kann, endlich auch ein Buch auszuleihen – er muss sich allerdings noch eine Zeit gedulden, es dauert noch eine kleine Weile bis er in die Schule kommt. Er guckt sich aber schon die Bücher an und erzählt bewundernd und aufgeregt was auf den Bildern alles zu sehen ist.


Es fängt an zu regnen und da alle Kinder schon ein Buch haben, werden Tisch, Stühle, Treppe mit Geländer und alle anderen Requisiten sicher im Bus verstaut und die Fahrt zurück beginnt. 
Vorbei geht es an aktiven und nicht mehr aktiven Vulkanen, vielen Pferden, Kühen, Ziegen, Truthähnen und diversen Hühnern, bis wir kurz vor Managua einen eindrucksvollen Blick über den leider sehr verschmutzen Managuasee nehmen dürfen.. 

solch grüne Felder sieht man hier in Managua leider nicht, umso schöner mal rauszukommen!
 
Zwischendurch machen wir noch einen kurzen Halt in der kleinen Stadt La Paz Centro und ich werde zu meinem ersten echten Quesillo eingeladen, einem typischen nicaraguanischen, leider auch sehr fettigem Gericht, dass aus Tortilla, Zwiebeln, saurer Sahne und einer Käsesoße besteht. 

Und dann kommt der Bücherbus abends, bereits im Dunkeln, etwa gegen sechs sicher wieder an der Deutsch-Nicaraguanischen Bücherei in Linda Vista an und ich bin wirklich hundsmüde, unterhalte mich noch kurz mit Markgee und entschwinde ins nahe Haus um bald ins Bett zu fallen!

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